Wie lässt sich die Wohnraumkrise lösen?
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Sinkende Preise auf dem Markt für Wohnimmobilien – was immer wieder thematisiert wird, ist weitgehend eine Fehlanzeige. Im vergangenen Jahr hat sich Wohnraum erneut verteuert. Dabei gilt diese Entwicklung unterdessen nicht mehr nur für das begehrenswerte Einfamilienhaus. Auch die Wohnungsmieten steigen. Gründe dafür gibt es viele. Einen Einfluss dürften auch höhere Hypothekarzinsen und damit gestiegene Finanzierungskosten haben. Zusätzlich wird zu wenig gebaut. Dafür verantwortlich sind gerade auch Bürokratie und Gesetzgebung.

Eigenheimbesitzer durften sich 2023 über weiterhin gestiegene Preise und damit über die Wertsteigerung ihrer Liegenschaft freuen. Gemäss kürzlich publik gemachter Zahlen erhöhten sich die Preise sowohl für Einfamilienhäuser als auch für Eigentumswohnungen. Raiffeisen Schweiz meldete einen Preisanstieg für Wohneigentum von 4 %. Das ist aber bedeutend weniger als die beinahe 9%ige Preissteigerung im Jahr 2021. Weniger Freude an den Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt dürften die Mieter haben. Schliesslich haben sich auch die Mieten im vergangenen Jahr schweizweit verteuert. Die Mietzinserhöhungen tendierten gegen 5 %. Die anhaltende Entwicklung der Immobilienpreise nach oben bedeutet gerade für jene, die sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen möchten, schlechte Nachrichten. Somit dürfte die unter 40 % liegende Wohneigentumsquote in der Schweiz so schnell nicht ansteigen. In diesem Zusammenhang ist bekannt, dass sich hierzulande nur noch 10 % der Mieterhaushalte Wohneigentum leisten können. Dieser Wert datiert allerdings bereits ein paar Jahre zurück und dürfte sich im Umfeld von gestiegenen Hypothekarzinsen und immer teurer werdendem Wohneigentum in der Zwischenzeit eher nach unten als nach oben bewegt haben. Zu bedenken ist, dass diese Auswertung auf der Fähigkeit zur Erfüllung der finanziellen Kriterien zur Hypothekarkreditgewährung basiert. Eine Bank beurteilt schliesslich das Einkommen und Vermögen des Kreditantragsstellers, bevor sie eine Finanzierungszusage erteilen kann. «Für den Erwerb einer Liegenschaft benötigt es 20 % an Eigenkapital vom tatsächlichen Verkaufspreis», präzisiert Roland Kiener, Verwaltungsratspräsident und Geschäftsleiter von Immoschwab.

Corona ist nicht die einzige Ursache
Daraus lässt sich folgern, dass bei steigenden Immobilienpreisen auch stets höhere Beträge an Eigenmitteln vorhanden sein müssen. Nach wie vor gibt es Käufer, die das notwendige Kapital für den Wohneigentumserwerb aufbringen können. Darunter finden sich auch Mieter, die es sich leisten können, mit der Verwirklichung des Traums der eigenen vier Wände auf den Mangel an passenden Mietobjekten zu reagieren. Infolgedessen befeuert das sich verknappende Angebot an Mietwohnungen die Preise von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern. Wenig überraschend können die Gründe für das ungebrochene Wachstum der Liegenschaftspreise auch der Corona-Pandemie zugeschrieben werden. Wer mag sich schon an all die Restriktionen zurückerinnern? Sie haben bei den Städtern wohl zu mehr Leidensdruck geführt als bei der Landbevölkerung. Dass diese Situation, gepaart mit dem Bestreben, Menschenansammlungen zu vermeiden, bei der Stadtbevölkerung den Appetit aufs eigene Haus in ländlicherer Umgebung gesteigert hat, ist nachvollziehbar. Ebenso dürfte zusätzlicher Platzbedarf für die Arbeit im Homeoffice die Nachfrage nach Eigentumsobjekten genährt haben. Auf die Corona-Pandemie folgten Inflation und höhere Hypothekarzinsen. Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz, sah den vor ein paar Jahren eingesetzten Zinsanstieg als Normalisierungsprozess, der auf eine Zeit von ultratiefen Zinsen folgte. «Die höheren Zinsen werden dafür sorgen, dass der eine oder andere auf einen Hauskauf verzichtet, weil es einfach teurer wird», so schätzte er die Lage vor zwei Jahren ein. Somit dürften die Finanzierungskosten den ein oder anderen Traum vom Eigenheim in der Zwischenzeit begraben haben. Zu berücksichtigen ist dabei ebenfalls, dass sich die Löhne im selben Zeitraum, wenn überhaupt, nur geringfügig verbessert haben. Deswegen sind aber die steigenden Immobilienpreise nach wie vor nicht vom Tisch. Immobilieneigentümer gehen bei diesem Marktumfeld denn auch nicht so rasch Konzessionen beim Verkaufspreis ein. Viele Verkäufer warten lieber länger auf ein gutes Angebot.

Lässt sich die Wohnraumkrise mit intensiverer Bautätigkeit entschärfen?
Die aktuelle Wohnraumkrise kennt jedoch auch noch einen anderen Grund: Verglichen mit vor ein paar Jahren sieht man weniger Baukräne in der Landschaft stehen. Die Bautätigkeit ist zurückgegangen. Dies ist eine Folge der stark gestiegenen Baukosten. Allerdings können für den Rückgang der Bautätigkeit nicht nur wirtschaftliche Ursachen verantwortlich gemacht werden. Volkswirtschaftler Fredy Hasenmaile führt denn auch das neue Raumplanungsgesetz an. Demgemäss sollte zum Vorbeugen der Zersiedelung der Landschaft vermehrt verdichtet gebaut werden. Dieser grundsätzlich sinnvolle Ansatz kann jedoch zu wenig gut umgesetzt werden. Langwierige Bewilligungsprozesse oder Einsprachen, beispielsweise aus der Nachbarschaft, sind wesentliche Gründe dafür. Die Erteilung eines Baugesuches nimmt, nicht überraschend, verglichen mit früher, mehr Zeit in Anspruch. Fredy Hasenmaile sieht Versäumnisse in der Politik und auch bei den Kantonen. Deren zögerliches Vorgehen bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben hat aus seiner Sicht situativ zu verzögerten Einzonungen von Bauland geführt. All dies erschwert die Bautätigkeit. Generell plädiert er für einen Abbau von bürokratischen Hürden. Auf diese Weise würde das Bauen wieder attraktiver werden. Denn für den Chefökonomen von Raiffeisen Schweiz ist klar, wie die Wohnraumkrise entschärft werden kann: «Es muss einfach mehr gebaut werden», so seine Einschätzung.

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